Geschichte und Informationen
Unsere Historie
Villingen, Poststrasse
– Eröffnung im Jahr 2000
2005 Villingen
– Landwatten Rösterei
2008 Villingen
– Gerberstraße Ladenlokal
Zeitungsbericht vom 5. Januar 2008
In Villingen lebt die Liebe zum gutem Geschmack
– von Eva Maia Huber –
Bei Jürgen Schulz in Villingen kann man sich genüsslich durch Sorten und Melanges probieren, ohne mit Promillegrenzen in Konflikt zu geraten. Größtes Risiko: eine schlaflose Nacht.
Der Herr über Millionen von Rohbohnen ist Chef einer der wenigen kleinen Röstereien in Deutschland. Kaffeemacher Jürgen Schulz geht in seinem kleinen Geschäft in der Villinger Altstadt in die Hocke und greift in ein paar prall gefüllte Jutesäcke. Er lässt ein Dutzend Rohbohnen durch seine Finger gleiten. Wer es ihm nachtut und schnuppert, ist vermutlich erst einmal enttäuscht: Während es im gesamten Laden verlockend nach Kaffee duftet, riechen die mandelförmigen Bohnen nach gar nichts.
»Erst müssen die in den Röster, belehrt Schulz und dann werde daraus das edle Produkt einer Kaffeebohne.
Der Villinger Kaffeemacher lehnt sich an seinen nostalgischen Röster aus Gusseisen, Baujahr 1960, Herkunftsland Frankreich. »Der sorgt für beste Qualität beim Rösten, tippt er anerkennend auf den Schlund der Maschine. Dank eines ausgeklügelten Systems verwandelt sich diese geschmacklose Bohnen in aromatische Kraftpakete. Kaum öffnet sich in einer Halle in den Lantwatten die Tür, dröhnt einem ohrenbetäubender Lärm entgegen. Der Rösti (Rösterer) arbeitet sich mit einer Schaufel durch zahllose Zentner von Kaffeebohnen, die über einen Schlauch in den großen Röster verfrachtet werden. Gerade eben rutschen zwölf Kilo Santos-Rohbohnen in die Röstmaschine, und der Lärm beginnt von Neuem. Je nachdem wie viele Kilogramm Rohbohnen der Rösterer in den Bauch des Rösters lässt, zwischen zwölf und maximal 30 Kilogramm, dauert auch der Röstprozess. Bei 210 Grad Celsius werden die Rohlinge dank einer Trommel durchgewirbelt, zwischen 25 Minuten und 15 Minuten lang. Rösterer Hardwich benötigt keine Stoppuhr bei seiner Arbeit. Angestrengt schaut er durch die kleine Glasscheibe und zu dem braunen Wirbel dahinter. Wichtiger noch: mit einem Minischäufelchen holt er ein paar Bohnen heraus, um den Röstgrad zu prüfen. »20 Sekunden zu viel«., erläutert er, »und die Bohnen wer-den rot und sind somit nicht mehr zu verwerten.«
Während er hoch konzentriert in der sich abkühlenden Masse, rührt und weiter prüft, strömt einem ein atemberaubender Duft entgegen, »der Duft der großen weiten Welt«, scherzt Hartwich. Der Mann weiß, wovon er spricht, immerhin lagern hier Säcke aus Indien, Kolumbien, Mexico und Brasilien. Dann dürfen sich die edlen Bohnen in einem Gefäß erstmal genügend Zeit zum Abkühlen lassen. Ein Luxus, den sich nur kleine Röstereien erlauben, berichtet Schulz. »Bei den Großen kürzt ein kalter Nebel das Prozedere ab.« Zudem rösten in Großröstereien zwischen 600 und 800 Kilogranen gleichzeitig. Während sich eine Mitarbeiterin ein Gefäß mit frisch gerösteten Bohnen schnappt, wird der große Rest über einen überdimensionalen Sauger in Vorratskisten hinein gepustet.Und exakt hier kommt auch der Herr aus dem Singener Hauptzollamt ins Spiel: Auf alles, was die Lantwatten verlässt, wird Kaffeesteuer draufgeschlagen: exakt 2,19 Euro pro Kilogramm.
Röster war schon immer sein Traumberuf gewesen.
Die Rohbohnen benötigen Durchschnittstemperaturen von 20 Grad und eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit. Neun bis zehn Monate nach der Blüte können die Kirschen, die normalerweise zwei Bohnen enthalten, geerntet werden. Während der drei bis vier Monate langen Haupterntezeit werden die reifen Kirschen fortlaufend sorgfältig von Hand gepflückt. Der Kaffeebaum als immergrüne Pflanze kann neben der Hauptblütezeit zu jeder Jahreszeit Blüten tragen. Meist hängt sie verkapselt als Kaffeekirsche an einem Strauch, meist auf südamerikanischem Terrain. Durch spezielle Aufbereitungsmethoden und nach Anpressen in einem großen Bassin, startet ein Gärprozess. Die Fruchtschale löst sich, der Kern sackt ab und wird getrocknet. Mehr als 25 Prozent Feuchtigkeit darf er nicht enthalten, wenn er sich auf die Reise in die deutschen Röstereien macht. Kaffee gedeiht in den Ländern, die sich auf dem 23. Breitengrad im Norden und auf dem 25: Breitengrad im Süden befinden.
»Neben Süd-und Lateinamerika sind auch Indien oder Kenia für erstklassige Rohprodukte gut«, ergänzt Herr Schulz. Zu seinem Leidwesen kommt aber zunehmend Ware aus Vietnam auf den Markt. »Mehr Masse ars Klasse«, urteilt. er. Er selbst bezieht seine Rohbohnen nicht über die Börse sondern über Agenten vor Ort. Und die kaufen auch bei Kooperativen, einem Zusammenshluss kleinerer Anbauern. Auch auf die zunehmende Nachfrage nach Bio Produkten reagiert er seit Längerem. Fair Trade-Produkte führen auch bei ihm kein Schattendasein, wie der Blickfang gleich neben der Kasse Zeigt. Vor dem gewaltigen Einbruch in den 80er-jahren gab es für die Bohnen zumindest in Deutschland wesentlich mehr Adressen.
»Wir hatten damals 3500 Röstereien, heutzutage sind es noch zwischen 80 und 100«, erinnert sich Schulz. Eine von den Kleinen, die das Massensterben überlebt hat, war der Kaffeemacher aus Villingen. Geboren in Bad Cannstatt, arbeitete er als Aushilfe bei Feinkost Böhm in Stuttgart: Sein Vater war dort Kaffeeröster und er wollte dies nach der Bundeswehrzeit auch werden. Als er 2000 nach Villingen kam, plante er, eigentlich nur den Handel und die Gastronomie zu bedienen: »Nur so zum Testen« öffnete er die Tür in den ersten Tagen seines Geschäftes in der Postgasse auch für die Laufkundschaft. Der Ansturm war so gewaltig, dass diese offen blieb. 25 Sorten und ebenso viele Mischungen bietet er mittlerweile an. Die Kaffeemaschine surrt und surrt, auch der Latte Macciato schäumt unaufhörlich ind die Tassen.
In dem kleinen Geschäft geht es zu wie in einem Taubenschlag. »Das mit dem Kaffee lassen Sie mal.« Dieser ärztliche Rat kann Kaffeetrinkern den Tag vermiesen. Doch Kaffee ist ‚in Sachen Inhaltsstoffe wesentlich besser als sein Ruf, weiß, Jürgen Schulz aus diversen Studienergebnissen. An exponierter Stelle seines Ladens hängt deshalb auch eine Notiz, die er einer seriösen Zeitung entnommen hat: »Kaffee ist gesund und hält die Zellen munter.« In der Tat wird man auch im Internet fündig, wenn es um die Inhaltsstoffe geht. Den köstlichen Bohnen werden sogar Wirkstoffe nachgesagt, die gegen bestimmte Krebsarten helfen sollen. »Es ist beim Kaffeetrinken wie beim Wein«, sinniert der damals 44jährige: »Es kommt auf die Menge an..«
Zwar gelten Mittlerweile die Norweger als Kaffeetanten und Onkels par excellence, doch auch die Deutschen mit einem jährlichen Pro-Kopf Verbrauch von 150 Litern sind ganz gut dabei. Kaum jemand kann sich dem Getränk entziehen, das zwischen 800 und 1500 Stoffe und Aromen enthält. Was trinkt denn der Chef am liebsten? Einen Favoriten hat’Schulz nicht. »Ich liebe sie alle«, schwärmt er von seinen Sorten und Mischungen, zieht unschlüssig Packungen heraus und stellt sie wieder zurück in die Regale. Eine Liebeserklärung an alle, obwohl er auch Kaffeesorten der Luxusklasse anbietet. So beispielsweise Turaja fiir 22 Euro pro 100 Gramm, das Rohprodukt stammt aus einer Inselgruppe im Indischen Ozean. Noch luxuriöser kommt Blue mountain daher, 64 Euro für 22,5 Gramm.
Ein Vulkan der Aromen? Jürgen Schulz ist ausnahmsweise mal um eine Antwort verlegen: »Keine
Ahnung, den habe ich noch nie getrunken.« So geht’s auch dem damaligem Mitarbeiter Werner Klass, der akribisch über den Bohnen-Wirbel wacht. Nicht nur er ist von seinem Job begeistert, sondern auch seine Frau. »Früher«, erzählt er, habe er in der Metallbranche gearbeitet und immer nach Fabrik gerochen. »Wenn ich heute heimkomme, dufte ich nach Kaffee.«
Schwarzwälder-Bote 10.04.2014
Villingen-Schwenningen Rösterei als Feinschmecker-Tipp
– von Eva Maia Huber –
Bei Jürgen Schulz in Villingen kann man sich genüsslich durch Sorten und Melanges probieren, ohne mit Promillegrenzen in Konflikt zu geraten. Größtes Risiko: eine schlaflose Nacht.
In der Rösterei des Kaffeemachers überwacht Werner Klass die schonende Langzeitröstung der
Bohnen.
Foto: Zieglwalner Foto: Schwarzwälder-Bote
„Kaffeemacher“ findet Eingang in Führer mit Adressen für Genießer VS-Villingen (maz). Er gehört zu einer von bundesweit 50 Kaffeeröstereien, die Eingang in den neuen Feinschmeckerführer „Tipps für unterwegs – die besten Cafés und Röstereien in Deutschland“ gefunden haben: Jürgen Schulz, besser bekannt als „Der Kaffeemacher“ aus der Villinger Gerberstraße. Und das nicht zum ersten Mal. Seine Adresse sei in allen der bisher vier Ausgaben seit 2005 angegeben, freut sich Schulz. Und er ist sogar zwei Mal in der Broschüre vertreten: Denn die von ihm belieferte Freiburger Confiserie Rafael Mutter lobt die Jury für den guten Kaffee.
Eine Auszeichnung, die Schulz zeigt, dass er mit seinem Konzept, Kaffee aus selbst gerösteten Bohnen von guter Qualität anzubieten, den richtigen Weg eingeschlagen hat. Er lege Wert darauf, mit Kleinhändlern zusammenzuarbeiten, die noch direkt in den für die besten Bohnen bekannten Anbauländern wie Kenia, Kolumbien, Brasilien oder Mexiko einkaufen, schildert er seine Philosophie.
Und auch beim Rösten unterscheide sich der Kaffeemacher von den großen Unternehmen, erklärt Chefröster Werner Klass: Während die Industrie die Bohnen in wenigen Minuten bei 700 bis 800 Grad Celsius bearbeite, setze der Villinger Betrieb auf eine schonende Langzeitröstung bei 210 Grad Celsius, die den Kaffee bekömmlicher mache.
Rund 400 solcher Kleinröstereien gebe es in Deutschland, erklärt Schulz, da sei es toll, in den Top 50 zu landen. Um in die Auswahl zu kommen, habe er an der Ausschreibung des Hamburger Magazins teilgenommen und im Herbst Kaffeeproben samt der Eckdaten des Geschäfts und seiner Produkte eingeschickt. Nun liegen die Empfehlungen der Jury vor.
Das zeige natürlich auch den Kunden, dass sie sich auf die Qualität verlassen können, freut sich Schulz. Bei denen seien die Kaffeesorten für Vollautomaten gefragt. Aber auch bei der Zubereitung zeichne sich der Trend zurück zur behutsamen Methode ab: Der von Hand aufgegossene Filterkaffee komme immer mehr in Mode.
Schwarzwälder-Bote 12.12.2015
Villingen-Schwenningen Neues Leben für altes Glas
„Man kann fast allen Dingen ein neues Leben geben, statt es wegzuwerfen“, sagt die Kunsthandwerkerin Claudia Kleissendorf-Stein aus Marbach.
Porträt: Claudia Kleissendorf-Stein besitzt speziellen Brennofen für die Kunst
„Ich bin das Reinkarnationsbüro für Altglas“ – Claudia Kleissendorf-Stein ist nicht nur eine erfolgreiche Kunsthandwerkerin. In ihr steckt auch ganz viel Sorge um die Umwelt. VS-Villingen. Das neudeutsche Wort „Upcycling“ – gebildet aus dem Englischen „up“ (hoch) und „recycling“ (Wiederverwertung), das für aufgewertete Abfallprodukte durch Umnutzung steht, scheint wie geschaffen für die Künstlerin aus Marbach. Was sie in Sachen Glas mit Kreativität und Fantasie perfektioniert hat, zieht sich durch viele Bereiche ihres Lebens.
In Grüningen ist sie geboren, in Marbach aufgewachsen. Beim Landratsamt lernte sie Verwaltungsfachkraft. Sie war Schulsekretärin an der ehemaligen Richard-Bürk-Schule Schwenningen und an der Zivildienstschule in Seelbach, arbeitete in Überlingen beim Regionalsender See-TV und stand dort schon mal vor der Kamera. Sie war Verwaltungsleiterin bei Vorwerk und saß in einem Sekretariat der Polizeifachhochschule. „Man muss im Leben alles mal gemacht haben“, ist ihre Devise.
Eine kreative Ader hatte Claudia Kleissendorf-Stein schon immer. Als Jugendliche entdeckte sie bei Urlaubsreisen nach Schweden ihre Liebe zur dortigen Glaskunst. Geradlinig und unverschnörkelt sowie in der Farbe reduziert – „das war genau mein Ding“. In Österreich stieß sie – ebenfalls im Urlaub – auf die Möglichkeit eines Schnupperkurses für das Glasmachen und hatte es gefunden: ihr ultimatives Hobby, das sie mit viel Elan und guten Ideen bald sogar zu einem beruflichen Standbein ausweitete. Von Anfang an aber war da der Widerwille, den Rohstoff in Form von gemahlenem Glas in allen nur erdenklichen Farben kaufen zu müssen. „Es gibt schon so viel Glas – das muss doch auch anders gehen“, sagte sich Claudia Kleissendorf-Stein und experimentierte so lange, bis sie aus alten Flaschen, Schüsseln und sogar Fensterscheiben Neues schaffen konnte. Der Einschmelzofen musste ein besonderer sein, dafür produziert sie konsequenterweise den Strom dafür per Photovoltaik auf dem eigenen Dach.Die „EigenArt“ hat offensichtlich den Geschmack vieler Menschen getroffen. Die kaufen ihre Gebrauchs- und Dekorationsprodukte aus Glas nicht nur, sondern sorgen auch ganz selbstverständlich für Nachschub. „Manchmal sieht es bei mir vor der Haustür aus, als ob ich ein wildes Trinkgelage ausgerichtet hätte“, sagt sie und lacht. Leere Flaschen in allen Farben, aber auch beschädigte oder ungeliebte Glasdinge finden den Weg zu ihr. Gerade sucht sie für eine neue Idee große grüne Jägermeisterflaschen. Die Idee des Upcyclings ist in Claudia Kleissendorf-Stein tief verwurzelt und sie hat damit auch ihre Tochter angestecktIn Sozialkaufhäusern oder Second-Hand-Shops geht sie am liebsten einkaufen, um dort Schätze zu finden, die sie be- oder umnutzen kann.
Derzeit präsentiert sie ihre Glaskunst beim „Kaffeemacher“ in der Gerberstraße.
Ihre Glassterne hängen an Baumstämmchen aus dem Garten, um eine Fahrradfelge wurde ein Adventskranz gewunden. „Man kann fast allen Dingen ein neues Leben geben, statt es wegzuwerfen“, sagt sie.
28. Februar 2018
Ihn interessiert nur die Bohne: Zu Besuch beim Villinger Kaffeemacher
Jürgen Schulz hat eine besondere Beziehung zu Kaffee. Nicht nur, dass er zehn Tassen am Tag
davon trinkt. Er führt auch eine kleine Manufaktur inmitten der Villinger Innenstadt, die
inzwischen mehrmals ausgezeichnet wurde und bei den Kunden eine Art Kultstatus erreicht hat.
von Anja Greiner
Den besten Espresso seines Lebens hat Jürgen Schulz an der Autobahnraststätte in Italien
getrunken. Ohne Schnickschnack, ohne millimeterdicke Crema, einfach, ehrlich und gut. „Die
Deutschen neigen dazu, aus allem eine Wissenschaft zu machen. Die perfekte Crema, der beste
Zuckerstand und so weiter. In Italien interessiert das niemanden.“
Jürgen Schulz ist selbst Deutscher und er hat in gewisser Weise auch eine Wissenschaft aus dem
Kaffeetrinken gemacht. Zumindest aus dessen Vorstufe. Schulz, weiße Haare, blauer Pullover
über weißem T-Shirt, ist 55 Jahre alt, seit 30 Jahren Kaffeeröster und seit 18 Jahren mit der
Manufaktur der Kaffeemacher in Villingen selbstständig.
Draußen hat es an diesem Dienstagmorgen zweistellige Minusgrade, der Wind pfeift durch die
Gerberstraße. Einmal die Stufen zur Hausnummer 25 bestiegen, ist es ein bisschen, als betrete
man eine andere Welt. Das Licht bricht sich in den alten Kaffeeschütten aus Kupfer die hinter der
Theke stehen, der Duft von frisch gemahlenem Kaffee verströmt eine Wärme, wie es eine
Heizung nie könnte und das Geräusch der Mahlmaschine lässt Schulz in regelmäßigen Abständen
etwas lauter reden. Dann zum Beispiel, wenn er, auf der kleinen Bank vor der Theke sitzend,
erzählt, wie er in den vergangenen Jahren seinen Kaffeekonsum reduziert hat; von vier Litern auf
jetzt noch gut zehn Tassen am Tag. Ab und zu trinkt er auch Tee.
Der 13. Oktober 2000 war ein Freitag. Jürgen Schulz weiß das auch noch heute, 18 Jahre später.
Der Tag bildet seine Lebensgrundlage. Als er damals die Kaffeerösterei eröffnet, rechnet er
damit, dass ein paar Kunden kommen und er die nächsten Tage mit seinen selbst gerösteten
Bohnen erst mal Klinkenputzen gehen darf. Es kommt anders. Am Samstag wird der Laden
bereits überrannt und Schulz, der den Laden ohne einen einzigen Angestellten eröffnet hat,
braucht eine Idee, wie er die vielen Kunden abfertigen kann, ohne dass sie ungeduldig werden.
Er greift zu dem, was er zur Genüge hat: Kaffee. Die Tasse Kaffee umsonst bekommt auch heute
noch jeder Kunde, der das Geschäft betritt.
So auch Dieter Ratuschek. Einmal im Monat kommt er aus Mönchweiler zum Kaffeemacher nach
Villingen. Für sich kauft er Tee, den Kaffee nimmt er für seine Frau mit. Die Tüte für die Bohnen
bringt er immer wieder mit. Inzwischen ist der vierte Verschlussaufkleber darauf. Der
Geschmack, die Atmosphäre, wer die Kunden fragt, warum sie gerne kommen, hört meist die
gleichen Antworten.
So muss es auch dem geheimen Tester des Gourmet-Magazins der Feinschmecker gegangen
sein, der den Kaffeemacher aus Villingen in der März-Ausgabe unter die 525 besten Cafés und
Röstereien in Deutschland votierte. Für Schulz ist es inzwischen die fünfte Auszeichnung dieser
Art. So richtig weiß er nicht, was er damit anfangen soll. Die einzige Auszeichnung, die für ihn
zählt: „Dass ich seit 18 Jahren in dem harten Markt bestehen kann und die Kunden immer noch
kommen.“ Rund 100 Kunden hat er täglich. Manche kommen seit dem ersten Tag. Viele kennen
sich inzwischen auch untereinander. Er hat inzwischen sieben Mitarbeiter und verarbeitet 200
Kilogramm Kaffee im Monat. Nur vom Verkauf im Laden könnte er jedoch nicht leben. Er hat
zusätzlich einen Online-Shop und beliefert mehrere Großhändler.
Aus einer Plastiktonne füllt Vincent Kaufmann die Schümli Kaffeeschütte auf. Schaufel für
Schaufel, Bohne für Bohne. „Besser als Schuhe verkaufen“, sagt er. Kaufmann ist 26 Jahre alt, er
hat hier seine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolviert. Wäre der Kaffeeladen nicht
gewesen, er wäre wohl bei der Bundeswehr Soldat geblieben. Heute kennt er so gut wie jeden
Kunden und weiß, welche Sorte sie gerade trinken.
Die meisten seiner rund 15 Sorten mischt Schulz selbst. Das kann mal einen Monat und mal eine
Stunde dauern. Der Geschmack ist für Schulz überlebenswichtig. Nur so kann er sich gegen die
preisgünstige Konkurrenz im Supermarkt behaupten. Acht Gramm Kaffee in die Tasse, Wasser
drauf, dann den Satz mit dem Löffel verkosten: So geht eine Kaffeeprobe. Schulz schmeckt die
Fehltöne. Wenn im Kolumbianer die leichte Haselnussnote fehlt, muss er anders mischen. In der
Regel testet er die Bohnen, wenn die Ernte wechselt. Der tägliche Test ist der Kaffee, den sie für
die Kunden in der Filtermaschine aufbrühen. Seit vor ein paar Jahren die Hygiene- und
Sicherheitsvorschriften verschärft wurden, darf er nicht mehr im Verkaufsraum rösten. Die
Röstmaschine steht jetzt in der Lantwattenstraße. Sie rösten je nach Auftragslage, die Haupttage
sind meist Dienstag und Mittwoch.
Brasilien, Kenia, Kolumbien oder Nicaragua: Die Kaffeebohnen kommen aus allen bekannten
Anbaugebieten. Schulz arbeitet mit der Efico Foundation zusammen, bezahlt zehn Cent mehr pro
Kilogramm Kaffee und unterstützt so Projekte wie die Vergabe von Mikrokrediten in den
Herkunftsländern. Er versucht, immer wieder Besonderheiten zu beschaffen, im vergangenen
Jahr waren das Bohnen, die am Fuß des Mount Everest wachsen.
Der Kaffeesatz
Mehr als nur Abfall: Mit dem Kaffeesatz aus dem Vollautomaten oder dem Filter lässt sich
beispielsweise der Garten düngen oder die Rosen besser ansetzten. Die enthaltenen Mineralien
Kalium, Phosphor und Stickstoff bleiben auch nach dem Brühvorgang in nennenswerten Mengen
vorhanden und stellen einen guten Nährboden dar.
Die Pad-Maschine
Das Allroundtalent: Kapsel- und Padmaschinen sind in der Handhabung super, da sie leicht zu
bedienen und herrvorragend sauber im Gebrauch sind. Auch geschmacklich, sagt Schulz, sind sie
nicht schlecht. Der große Nachteil jedoch zumindest bei den Kapselmaschinen: Der AluminiumMüll ist schädlich für die Umwelt.
Der Handfilter
Der neueste Trend: Handfilter sind das Gebot der Stunde. Wer als Barista derzeit etwas auf sich
hält, brüht den Kaffee langsam und mit Hingabe im Filter. Der Vorteil: „Man kann jedes Mal
einen anderen Kaffee verwenden“, sagt Schulz. Wichtig beim Brühen ist vor allem die
Wassertemperatur: Zwischen 89 und 92 Grad sind optimal.
Der Vollautomat
Praktischer Luxus: „Eine feine Sache“, findet der Experte. Der Kaffee ist in allen Varianten sofort
abrufbar. Entscheidend für den Geschmack sei jedoch die Qualität der Bohnen. Aber, so beliebt
der Vollautomat in deutschen Küchen auch sein mag, Jürgen Schulz ist überzeugt: „Er wird nie
den Filterkaffee verdrängen.“
In meiner Nähe –
AOK Heft Bericht Mai 2019
Seit fünf Uhr morgens ist Jürgen Schulz auf den Beinen, doch Müdigkeit zeigt er keine. Das mag an seinem Beruf liegen: Mitten in Villingen betreibt er eine kleine Rösterei samt Kaffeeladen — „Der Kaffeemacher“. Seit mehreren Stunden dreht sich die schwere Rösttrommel, in der die weißlich-grünen Kaffeebohnen getrocknet und erhitzt werden. Kaffeebohnen enthalten von Grund auf sehr viele ätherische Öle. Beim Röstvorgang treten diese an die Oberfläche, welche sich deshalb von matt zu glänzend ändert. Jürgen Schulz und Werner Klass, der Röstmeister, warten auf den sogenannten Crack, den Moment, in dem die Bohne aufbricht und auch der letzte Anteil Feuchtigkeit aus ihr entweicht. „Wie beim Popcorn“, meint Schulz und tatsächlich hört man es im Inneren der Maschine leise knallen. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern liefert er im Jahr bis zu 50 Tonnen geröstete Bohnen aus. Zu Weihnachten stellt der KaffeeröSter ei-ne besondere Weihnachtsmischung aus sieben verschiedenen Hochlandkaffeesorten her. „Die ist bei meinen Kunden sehr beliebt, da es etwas ganz Besonderes ist“, so der Kaffeemacher. „In einer Kaffeebohne stecken bis zu 600 erforschte Aromen und um die herauszukitzeln ist die perfekte Röstung sehr wichtig. Und die kann nur perfekt gelingen, wenn man die letzten zwei bis drei Minuten nicht mehr von der Maschine weicht“, erklärt Klass. „Jeder Kaffeeröster röstet anders“, erklärt Jürgen Schulz. „Bei uns werden die Arabica-und Robusta-Bohnen nur bei maximal 200 Grad geröstet.“ Pro Runde vergehen dabei zwischen 18 und 20 Minuten, es wird großer Wert auf ein schonendes Rösten gelegt. Zum Vergleich: In der Industrieproduktion wird innerhalb von drei bis fünf Minuten bei bis zu 700 Grad geröstet.“ Das deutlich langsamere Verfahren der kleinen Rösterei hat einen entscheidenden Vorteil: Der Kaffee hat mehr Zeit, seine Säure und Bitterstoffe abzubauen. Er wird dadurch besser verträglich. „Das ist gut für alle mit einem empfindlichen Magen“, weiß die AOK-Ernährungsexpertin. „Ich trinke den Kaffee selbst auch aus diesen Gründen. Aber wenn man nicht mehr als zwei Tassen Kaffee pro Tag trinkt, sollte das für den gesunden Magen kein Problem sein. Ein zusätzlich bereitgestelltes Glas Wasser kann einer Übersäuerung durch Kaffee entgegenwirken“, so Lydia Fries-Spöcker. Es schadet insgesamt nicht, zu einer Tasse Kaffee auch ein Glas Wasser zu trinken, notwendig ist es aber nicht. „Für viele Menschen leistet Kaffee einen wesentlichen Beitrag zur täglichen Gesmtwasserzufuhr, er wird in die Flüssigkeitsbilanzinbezogen, wie jedes andere Getränk auch“, weiß die AOK-Ernährungsberaterin. Das im Kaffee enthaltene Koffein hat einen harntreibenden Effekt, da das Hormon ADH, welches für die Rückführung des Wassers in der Niere verantwortlich ist, gehemmt wird. Dieser Effekt ist jedoch nur vorübergehend und bei regelmäßigem Kaffeekonsum weniger stark ausgeprägt, sodass sich der Flüssigkeitshaushalt innerhalb eines Tages wieder im Gleichgewicht befindet. „164 Liter Kaffee hat jeder Verbraucher in Deutschland durchschnittlich im vergangenen Jahr getrunken. Damit ist der Wachmacher beliebter als Bier oder Tafelwasser“, weiß der Kaffeemacher aus Villingen.